Frau Meyer wohnt seit dem Versterben ihres Ehemannes alleine und fühlt sich seither nicht mehr sicher. Sie überlegt sich deshalb, ihr Einfamilienhaus auf jeder Seite mit einer Videokamera zu versehen, um ungebetene Gäste abzuschrecken. Darf Sie das?
«Gigaset outdoor camera»: Schutz und Abschreckung in Einem. Dank HD-Qualität sind Details und Gesichter scharf und rauschfrei zu erkennen – wegen der Infrarot-Technologie selbst bei Dunkelheit auf eine Entfernung von bis zu 15 Metern.
Dank der enormen elektronischen Entwicklung der letzten Jahre kann man sich zuhause relativ einfach ein Videoüberwachungssystem einrichten. Besonderes Fachwissen ist dazu nicht nötig. Die Zunahme von Videoüberwachungssystemen in den letzten Jahren ist immens. Welche gesetzlichen Bestimmungen aber bei einer solchen Überwachung einzuhalten sind und wie man sich gegen eine unberechtigte Überwachung zur Wehr setzen kann, wissen die wenigsten.
Es ist offensichtlich, dass auf einer Videoaufnahme regelmässig Personen erkennbar abgebildet werden. Das führt dazu, dass juristisch gesehen «Personendaten bearbeitet» werden (vgl. Art. 3 lit. a DSG). Die von der Kamera erfassten Personen werden in ihren Grundrechten auf persönliche Freiheit und Privatsphäre tangiert. Videoüberwachungssysteme dürfen nur installiert werden, wenn sie dem Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG) entsprechen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Bilder aufbewahrt werden oder nicht. Daher ist es wichtig, bei der Planung, der Installation und dem Betrieb solcher Anlagen den Regeln des Persönlichkeitsschutzes besondere Beachtung zu schenken.
Grundsätzlich: Datenschutz beachten
Unter Berücksichtigung der im Datenschutz geltenden Grundsätze bedeutet dies konkret das Folgende:
1. Die Videoüberwachung darf nur eingesetzt werden, wenn dieser Eingriff in die Persönlichkeit durch die Zustimmung der betroffenen Personen, durch ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse oder durch ein Gesetz gerechtfertigt ist. Die Videoüberwachung zu Sicherheitszwecken, insbesondere zur Verhinderung und Ahndung von Einbrüchen – wie im Fall von Frau Meyer – ist grundsätzlich gerechtfertigt (privates Interesse).
2. Die Videoüberwachung muss geeignet sein, den verfolgten Zweck der Sicherheit, insbesondere den Schutz von Personen und/oder Sachen, zu erreichen. Sie darf auch nur dann angewendet werden, wenn sich andere Massnahmen, die das Privatleben weniger beeinträchtigen (mildere Massnahmen), wie zusätzliche Verriegelungen, Verstärkungen der Eingangstüren oder Alarm-systeme, als ungenügend oder undurchführbar erweisen. Zudem muss die durch die Videoüberwachung verursachte Beeinträchtigung der Privatsphäre in einem vernünftigen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen. Nicht benötigte Videoaufnahmen sind spätestens nach 24 Stunden zu löschen.
Die Frage der Verhältnismässigkeit
Das Filmen des eigenen Eingangsbereichs wird grundsätzlich als zulässig erachtet. Im Fall von Frau Meyer kann man sich jedoch fragen, ob eine Videoüber-wachung jeder Seite des Hauses noch als verhältnismässig angesehen werden darf. Einen Teil ihres Grundstückes könnte Frau Meyer auch durch ein zusätzliches Alarmsystem absichern.
Beim Aufstellen der Videokamera ist ferner zu berücksichtigen, dass nur die für den verfolgten Zweck absolut notwendigen Bilder in ihrem Aufnahmefeld erscheinen (Verhältnismässigkeitsprinzip). Sie müssen sich auf den eigenen Grund und Boden beschränken. Das Nachbargrundstück darf nur dann (mit-)gefilmt werden, wenn der betroffene Nachbar sein Einverständnis dazu gegeben hat. Dasselbe gilt in Mehrfamilienhäusern mit Miet- oder Eigentumswohnungen. Auch dort hat sich die Überwachung auf die durch den Mieter oder Eigentümer ausschliesslich genutzten Teile zu beschränken. Das Filmen der gemeinschaftlich genutzten Bereiche setzt das Einverständnis sämtlicher Mitbewohner der Liegenschaft voraus. Zu beachten bleibt zudem, dass für das (Mit-)Filmen des öffentlichen Grundes wie zum Beispiel des Trottoirs spezielle Regeln gelten. Regelmässig ist dafür eine Bewilligung notwendig.
Ein Schild muss sein
3. Die Videoüberwachung muss für alle Personen, die das Aufnahmefeld der Kameras betreten, mit einem gut sichtbaren Hinweisschild erkennbar sein. Ferner muss angegeben werden, bei wem die Aufnahmen gespeichert werden, falls sich dies nicht aus den Umständen ergibt. Frau Meyer sollte im Eingangsbereich ein gut sichtbares Schild anbringen, welches auf die Videoüberwachung hinweist.
4. Die Veröffentlichung von Videoaufnahmen ist nur erlaubt, wenn die abgebildeten Personen vorgängig eingewilligt haben. Bilder, auf denen Straftaten zu sehen sind, sollten den Strafverfolgungsbehörden übergeben werden. Wer Videoüberwachungsmaterial eigenhändig online stellt, um nach mutmasslichen Tätern zu fahnden oder sie an den Pranger zu stellen, handelt widerrechtlich.
Solange sich auf dem aufgenommenen Videomaterial keine Straftat erkennen lässt, sollte Frau Meyer die Bilder innert 24 Stunden wieder löschen.
Nachbarn informieren
Sollte sich ein Nachbar von Frau Meyer durch die angebrachte Videoüberwachungsanlage in seinen Rechten tangiert fühlen, kann er von ihr Auskunft verlangen. Frau Meyer muss ihm insbesondere der Aufnahmewinkel und der genaue Kamerastandort bekannt geben. Falls sich Frau Meyer weigert, die Informationen herauszugeben, kann der Nachbar dies gerichtlich einfordern. Sollte Frau Meyer die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes nicht einhalten, kann der Nachbar sogar gerichtlich verlangen, dass die Videoüberwachungsanlage entfernt wird. Um unangenehme Nachbarschaftsstreitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich deshalb, insbesondere den Standort einer Videoüberwachungsanlage vorgängig gut zu überdenken.
Anwaltskanzlei + Notariat
Weber Kamer
6302 Zug
Text: Jonas Koller
aus: Das Einfamilienhaus, Heft Nr. 3/2022