Egal, ob es sich um eine Wohnungsrenovation oder die Sanierung des Daches handelt: Bei Bauarbeiten im Stockwerkeigentum sollten sich die einzelnen Eigentümer, genauso wie die Gemeinschaft, um die nötigen Versicherungen kümmern.
Ordentlich, verlässlich, zurückhaltend – etwas langweilige Attribute, die den Schweizerinnen und Schweizern oft zugeschrieben werden. Zudem gelten wir weitherum als «überversichert». Dieser Vorwurf stimmt jedoch nicht in allen Bereichen. Beispielsweise bei Sanierungen oder Umbauten im Stockwerkeigentum: «Viele Eigentümer sind sich des Risikos bei solchen Bauarbeiten nicht bewusst und vergessen deshalb den Abschluss der nötigen Versicherungen», sagt Thomas Wipfler, Projektmanager bei der Beta Projekt Management AG in Zürich, die unter anderem im Bau- und Immobilienbereich tätig ist. Wipfler ist zudem Präsident der Kammer unabhängiger Bauherrenberater KUB.
Gemäss dem Experten sei vielen Stockwerkeigentümern nicht klar, dass eine Privat- oder Bauherrenhaftpflichtversicherung zwar Schäden gegenüber Dritten übernehme, aber beispielsweise Schäden an der Wohnung im darunter liegenden Stockwerk nicht gedeckt seien. Dem stimmt Peter Krebser, Geschäftsführer der KMU Versicherungsberatung GmbH in Dübendorf, zu: «Schäden an anderen Wohnungen oder gemeinschaftlichen Teilen des Gebäudes gelten im Stockwerkeigentum eben gerade nicht als sogenannte Schäden an Dritten – denn rechtlich betrachtet gehört das ganze Gebäude ja allen.» Dasselbe gilt auch umgekehrt, also wenn die Stockwerkeigentümergemeinschaft Arbeiten an den gemeinschaftlichen Teilen vornimmt und es dabei zu Schäden an einer Wohnung kommt. «Dass deshalb neben einer Haftpflicht- noch weitere Versicherungen abgeschlossen werden müssen, ist sogar den professionellen Verwaltungen oft nicht bewusst», sagt Wipfler von der KUB.
Eins, zwei oder drei?
Um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, ist bei Bauarbeiten im Stockwerkeigentum grundsätzlich der Abschluss von folgenden drei Versicherungen zu prüfen:
Bauherrenhaftpflicht- und Bauwesenversicherungen sind freiwillig, aber
empfohlen. Die Bauzeitversicherung ist in den meisten Kantonen ab einem
gewissen Bauvolumen obligatorisch (ausser GE, TI, AI, VS); teilweise
erst ab wertvermehrenden Arbeiten über 50 000 Franken, teilweise bereits
ab einer fixen Bausumme von 20 000 Franken. Welche Versicherungen im
Kontext mit den geplanten Bautätigkeiten nötig sind und ob für gewisse
Arbeiten auch die private Haftpflicht-, die Gebäudehaftpflicht- oder die
Hausratversicherung ausreicht, ist nicht immer einfach herauszufinden.
Hier kann einem beispielsweise ein Bauherrenberater behilflich sein.
Dieser holt auf Wunsch auch die Offerten ein oder vertritt die
Bauherrschaft gegenüber der Versicherung. Das ist nicht zu
unterschätzen: «Im Schadensfall kann die Kommunikation gegenüber den
Versicherungen heikel sein», sagt Wipfler von der KUB.
Typisch schweizerisch
«Es kann schnell kompliziert werden», sagt auch Versicherungsexperte Krebser. Er kennt einen Fall, bei dem der Stockwerkeigentümer der obersten Wohnung den Dachstock ausbauen wollte. Der hierfür an der Fassade angebrachte Transportlift verursachte dort Risse. Der verantwortliche Unternehmer wies die Schuld von sich, die Versicherung hingegen plädierte auf «mangelhafte Ausführung» und wollte den Schaden deshalb nicht übernehmen. Dies ist ein Punkt, den viele Versicherer von den Leistungen ausnehmen. Ausserdem: In der Bauwesenversicherung sind oft nur die Schäden an «Bauleistungen» gedeckt: Ob etwa ein Transportlift nun auch zur Bauleistung gehört, oder nur die konkreten Arbeiten am Dachstock, wird je nach Versicherung anders gehandhabt. «Es kann sich deshalb lohnen, eine kombinierte Zusatzversicherung abzuschliessen», sagt Krebser. Denn Schäden am bestehenden Gebäude seien bei Bauarbeiten meist das grösste Risiko, sagt er. Dies sei auch der Grund, warum eine solche Zusatzversicherung sogar teurer als die Grundversicherung ausfallen könne.
Apropos Kosten: Die Offerten der Versicherer unterscheiden sich manchmal um bis zu 200 Prozent. Weil die Kosten aber im Promillebereich liegen, sind die Preisunterschiede jedoch erst ab einem bestimmten Bauvolumen relevant. Was gemäss Thomas Wipfler von der KUB aber auf jeden Fall immer verglichen werden muss, sind die Bedingungen und Regelungen der offerierten Versicherungen: «Wie hoch ist die Deckung, welche Risiken sind eingeschlossen, welche explizit ausgeschlossen… damit muss man sich unbedingt auseinandersetzen.» Und dabei geht es nicht darum, auf keinen Fall «überversichert» zu sein. Im Gegenteil, es geht darum, eine Unterversicherung zu vermeiden. Ansonsten könnten die finanziellen Folgen eines Schadens schnell existenzbedrohend sein – weshalb es auch zweitrangig ist, ob ein entsprechender Versicherungsabschluss von gewissen Leuten als «typisch schweizerisch» abgetan wird.
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Text: Reto Westermann
aus: Häuser modernisieren, Nr. 1/2022