Wer Wohneigentum besitzt, wird früher oder später mit der Frage konfrontiert, ob für Umbauarbeiten im oder am eigenen Haus eine Bewilligung nötig ist. Ohne Bewilligung zu bauen, kann unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen.
Artikel 22 Absatz 1 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG) sieht eine grundsätzliche Bewilligungspflicht für Bauten und Anlagen vor. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Bauen in der Schweiz grundsätzlich verboten ist, ausser man besitzt die entsprechende behördliche Genehmigung. Nach der Praxis des Bundesgerichts erstreckt sich die Bewilligungspflicht auf mindestens «jene künstlich geschaffenen und auf Dauer angelegten Einrichtungen, die in bestimmter fester Beziehung zum Erdboden stehen und geeignet sind, die Vorstellung über die Nutzungsordnung zu beeinflussen, sei es, dass sie den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen». Massgebend ist, ob mit der fraglichen baulichen Massnahme so wichtige räumliche Folgen verbunden sind, dass ein Interesse der Öffentlichkeit oder der Nachbarn an einer vorgängigen Kontrolle besteht.
Grundsatzfragen
Ob ein Vorhaben eine Baubewilligung benötigt oder nicht, hängt somit davon ab, wie umfangreich es ist und wie stark es sich auf die Umgebung auswirkt, d. h. ob es einen gewissen «wesentlichen» Einfluss hat. Zu denken ist z. B. an Schattenwurf, Lärm, Rauch, Gerüche, an eine wesentliche Veränderung des Landschaftsbildes oder an mögliche Gefahren für die Umwelt. Im Grundsatz kann man sich merken, dass alles, was von Menschenhand erstellt wird und auf Dauer mit dem Boden fest verbunden ist sowie den Raum äusserlich verändert, die Erschliessung belastet oder die Umwelt beeinträchtigt, einer Baubewilligung bedarf. Selbstredend betrifft diese Pflicht nicht nur Neubauten, sondern auch Umbauten, Anbauten, Umgestaltungen, Erweiterungen, Zweckänderungen und Umnutzungen.
Kantonale Ergänzungen
Der bundesrechtliche Begriff der Bauten und Anlagen kann von den Kantonen weiter, nicht aber enger gefasst werden. Im Kanton Zug zum Beispiel wird die vorgenannte Definition der Baute und Anlage in § 9 Abs. 2 der Verordnung zum Planungs- und Baugesetz (V PBG) wie folgt ergänzt: «Namentlich sind es unter oder über dem Boden errichtete Gebäude und Anlagen aller Art, einschliesslich An-, Um- und Aufbauten, Keller, Strassen, Parkplätze, Mauern, Terrainveränderungen und dergleichen. Ferner sind es Fahrnisbauten und provisorische Bauten».
Die Gerichtspraxis
Es existiert eine reichhaltige Gerichts- und Verwaltungspraxis darüber, für welche Vorhaben eine Baubewilligungspflicht zu bejahen ist. Im Rahmen der Baubewilligung stellt die zuständige Behörde fest, dass dem Bauvorhaben kein baupolizeiliches Hindernis entgegensteht. Insbesondere muss das Bauvorhaben den im Nutzungsplan ausgedrückten räumlichen Ordnungsvorstellungen, allen übrigen planerischen sowie den baupolizeilichen Vorschriften entsprechen. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen und Bedingungen erfüllt, besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung der Baubewilligung.
Ausnahmen für Kleinstbauten
Den Kantonen steht es frei, Kleinstbauten von der Bewilligungspflicht zu befreien und gewisse Bauvorhaben einem blossen Anzeigeverfahren oder einem vereinfachten Baubewilligungsverfahren zu unterwerfen. Der Kanton Zug hat in seinem Planungs- und Baugesetz (PBG) unter § 44a davon Gebrauch gemacht und festgehalten, dass geringfügige Bauvorhaben und Solaranlagen, welche die nachbarlichen und die öffentlichen Interessen nicht erheblich berühren, der zuständigen Gemeindehörde mit einer Bauanzeige zu melden sind.
In § 44 Abs. 1 lit. a-c und Abs. 2 lit. a-i der Verordnung zum PBG (V PBG) wird sodann genauer definiert, was als «geringfügige Bauvorhaben» zu verstehen ist. Als Beispiele genannt werden: Heizungs-, Lüftungs- und Klimatisierungsanlagen innerhalb des Gebäudes; Fahrnisbauten wie Festhütten, Zelte, Tribünen sowie Materiallager bis zu einer Dauer von höchstens vier Monaten; sämtliche Baustelleninstallationen von bewilligten Bauten und Anlagen; kleines Dachflächenfenster von maximal einem halben Quadratmeter pro Hauptdachfläche; gewisse Umbauten im Gebäudeinnern; kleine Parabolantennen; Pergolen, Gartenwege- und -treppen, Sitzplatzbefestigungen, Sandkästen und saisonal aufgestellte Gartenpools; usw. In den anderen Kantonen bestehen zum Teil sehr ähnliche Vorschriften.
In den vorgenannten Fällen ist es zwar nicht nötig, ein ordentliches Baubewilligungsverfahren zu durchlaufen. Bewilligungspflichtig bleiben diese Vorhaben aber trotzdem. Man profitiert lediglich vom schnelleren, einfacheren Verfahren der Bauanzeige. Dabei wird von der Publikation im Amtsblatt und von der öffentlichen Auflage abgesehen.
Abklärung empfehlenswert
Die Frage, ob eine Baubewilligung erforderlich ist oder nicht, stellt sich folglich eher bei kleineren Bauvorhaben. Eine vorgängige Abklärung bei der zuständigen Behörde (oftmals die Gemeinde) ist sehr zu empfehlen. Das zuständige Bauamt gibt gerne Auskunft. Denn nicht bewilligte Bauten sind im Grundsatz zu beseitigen. Die zuständige Behörde erlässt in einem solchen Fall einen Abbruchbefehl. Allenfalls besteht ausnahmsweise die Möglichkeit, die rechtswidrig erstellte Baute noch nachträglich zu bewilligen. Bei der Anordnung eines Abbruchs einer bereits erstellten Baute sind jeweils die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und des Schutzes des guten Glaubens zu berücksichtigen. Sollte ein Abbruch unverhältnismässig sein, kommen aber auch noch andere Sanktionen wie z.B. eine Baubusse in Betracht. Die vorgängige Abklärung der Bewilligungspflicht lohnt sich deshalb auf jeden Fall.
Weber Kamer
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aus: Das Einfamilienhaus, Ausgabe 5/2021