Per Mausklick zur Hypothek zu gelangen, ist nicht bloss eine Zukunftsvision, sondern schon heute Realität. Tatsache ist aber auch: Online-Hypothek ist nicht gleich Online-Hypothek. Je nach Bank oder Vermittlungsplattform gibt es grosse Unterschiede. Experten sind überzeugt: Für eine individuelle Betreuung und für komplexere Fälle führt auch in Zukunft kein Weg an einer persönlichen Beratung vorbei.
Die Finanzierung der eigenen vier Wände oder eines Umbauprojekts lief lange Zeit nach einem fixen Schema ab: Der Kunde stellt sein Dossier zusammen, meist hat er ganz bestimmte Vorstellungen von seinem «Traumhaus». Oder er legt gleich eine erste Ideenskizze zu einem Bauprojekt vor. Es folgen persönliche Gespräche bei einer Bank – gemeinsam stecken der Kunde und der Kreditgeber den Rahmen ab: Wie hoch ist der Kreditbedarf? Was kann oder will sich der Kunde leisten? Dabei ist es gar nicht so selten, dass zwischen dem Antragsteller einer Hypothek und dem Berater der Bank schon länger ein persönlicher Kontakt besteht.
Die Banken von morgen
Wenn wir den Promotoren der
Digitalisierung glauben, ist die Finanzwelt von morgen kaum noch
wiederzuerkennen: Kunden informieren sich von zuhause aus – am Tablet
oder mit dem Smartphone. Sie vergleichen die Hypothekarangebote im
Internet und bringen den Kreditvertrag im
Idealfall sogar über diesen
Kanal unter Dach und Fach. Tatsächlich ist im Markt eine grosse Dynamik
sichtbar. Verschiedenste Player eröffnen Online-Portale,
Vermittlungsdienste und wohl fast jede Bank führt in irgendeiner Form
eine Online-Hypothek im Angebot. Trotzdem bewegt sich der Marktanteil
gemessen am gesamten Bestand an Hypotheken immer noch im tiefen
Prozentbereich. Das sagt Professor Andreas Dietrich von der Hochschule
Luzern: «Gemäss unseren Zahlen betrug der Marktanteil der
Online-Hypotheken im Jahr 2019 rund 3,1 Prozent. Das entspricht einem
Volumen von fünf Milliarden Franken.» Andreas Dietrich leitet an der
Hochschule das Finanzinstitut IFZ und publiziert regelmässig zum
Retailmarkt und Digital Banking.
Der Experte stellt die Prognose
auf, dass dies für komplexe Fragen rund um die Finanzierung von
Wohneigentum auch in fünf oder zehn Jahren nicht völlig anders aussehen
wird. Für Erstfinanzierungen bzw. Beratungen rechnet er weiter mit einem
geringen Anteil der Online-Abschlüsse. «Etwas anders sieht es aus, wenn
wir uns die Verlängerung von Hypotheken anschauen», erläutert Andreas
Dietrich. Denn für standardisierte Fälle und vor allem für risikoarme
Kredite wird der Online-Kanal gewisse Vorzüge noch mehr ausspielen. Das
hat ganz einfach damit zu tun, dass die Stammdaten zur Liegenschaft und
zum Vertragspartner ja bereits erfasst sind. Der Luzerner Bankexperte
rechnet damit, dass solche standardisierten Geschäfte im Bereich der
Hypothekarverlängerungen in fünf Jahren auf einen Marktanteil von rund
10 Prozent kommen. «Wer aber zum ersten Mal Wohneigentum erwirbt, wird
die Finanzierung wohl auch in Zukunft kaum an einem Sonntagnachmittag
über den Computer oder das Smartphone von zuhause aus unter Dach und
Fach bringen», so die Einschätzung von Andreas Dietrich.
«Meilensteine»: Auf Fachwissen zurückgreifen
Philipp Betschart von
der Schwyzer Kantonalbank sieht dies ähnlich: Er ist überzeugt, dass
sich der Online-Kanal und die Beratung in einer Bankfiliale ideal
ergänzen: «Wir stellen fest, dass beim Erstkauf und bei komplexen
Fragestellungen die Bankfiliale wesentlich begehrter ist.» Im
persönlichen Gespräch würden das Wissen und die Marktkenntnis der
Kundenberater mit einfliessen. Wichtig ist dem Leiter Finanzierungen der
Schwyzer Kantonalbank, «gemeinsam mit dem Kunden optimale Lösungen» zu
finden. «Durch das weitläufige und in den letzten Jahren nicht einfacher
gewordene Finanzumfeld ist die Materie für viele Kunden schlicht zu
komplex», ergänzt Philipp Betschart. Aus der Praxis stellen die
Finanzierungsexperten der Schwyzer Kantonalbank fest, dass bei vielen
«Meilensteinen» im Leben eines Hauseigentümers der Wunsch aufkommt, sich
auf solides Fachwissen verlassen zu können. Seien dies Themen wie
Renovationen, Familie und persönliche Vorsorge, später die Pensionierung
oder Gedanken zu einem Verkauf der Liegenschaft.
Online-Plattformen: Mehr Konkurrenz
Auf Seite der Anbieter im
Hypothekargeschäft trägt die Digitalisierung aber zu mehr Transparenz
bei – und auch zu verschärfter Konkurrenz. «Neue Plattformen im Internet
erleichtern manchen Darlehensgebern den Zugang zu Hypothekarkunden»,
sagt Florian Schubiger, Vorsorge- und Finanzierungsberater bei
VermögensPartner in Zürich. Auf neuen Plattformen wie zum Beispiel
hypotheke.ch finden sich Angebote von Pensionskassen, also Nicht-Banken.
Sie betreiben kein Filialnetz, bieten aber den Vorteil einer sehr
güns-tigen Kostenstruktur.
Experten wie Professor Dietrich betätigen, dass die Margen der Banken
unter Druck seien (das heisst vereinfacht gesagt: Der Kostenanteil der
Banken für Vertrieb, Verwaltung, Risiko etc. sinkt). Das hat aber nur
zum Teil mit der Digitalisierung zu tun. Einen wesentlichen Anteil dabei
hat die Tatsache, dass die neuen Vertriebs- und Wachstumsmöglichkeiten
immer mehr Hypothekenbroker auf den Plan rufen. So sind in wenigen
Jahren einige Vermittler neu in den Markt eingestiegen, die sich als
Broker profilieren: Sie ermöglichen eine transparente Auswahl an
Finanzierungsprodukten von unterschiedlichen Darlehensgebern wie Banken,
Versicherungen und Pensionskassen. Dank der Digitalisierung ist es
leichter geworden, solche Vergleichsmöglichkeiten auszuspielen und auf
dem Markt zu etablieren.
Viele Experten wie Andreas Dietrich gehen davon aus, dass aber gerade die klassischen Hypothekarbanken der Schweiz (Regionalbanken, Raiffeisen, Kantonalbanken, regionale Sparkassen etc.) weiter stark auf ihr eigenes Filialnetz bauen werden. Denn immerhin sind ja genau diese Kompetenz und «Kundennähe» wesentliche Faktoren, um sich von anderen abzuheben. «Vorsorge, Finanzplanung und eben auch die Finanzierung von Wohneigentum gelten insofern als beratungsintensive Dossiers, die auch in Zukunft zu einem grossen Teil über persönliche Gespräche geregelt werden», sagt Andreas Dietrich. Es ist derzeit auch kaum denkbar, dass die Finanzierungsberatung schon bald durch Chatbots, digitale Videokonferenzen oder Ähnliches ersetzt werden kann. Schon heute ist es aber oft Standard, dass der Kundenberater digitale Hilfsmittel in der Beratung einsetzt – etwa Simulationen von Finanzierungen, von Zinsen und Kosten, Visualisierungen, Renovationsrechner etc.
Fazit
Um möglichst vielen Kundenbedürfnissen gerecht zu werden, setzen vielen Banken auf solche «hybriden» Beratungsmodelle. Fundierte Beratung in Kombination mit modernen elektronischen Hilfsmitteln sei zukunftsfähig, betont Philipp Betschart von der Schwyzer Kantonalbank. Sein Fazit dazu lautet: «Dennoch sind wir bei der SZKB überzeugt, dass es bei vielen Anliegen Ansprechpersonen vor Ort braucht, um einen vertrauensvollen Austausch zu gewährleisten.»
Text: Jürg Zulliger
aus: Häuser modernisieren, Ausgabe 1/2021