Schweizer Bauratgeber für Bauherren und Hausbesitzer

Umbau oder Neubau?

Wer ein Haus kauft oder erbt, ist oft noch nicht am Ziel: Manchmal ist ein mehr oder weniger aufwändiger Umbau nötig. Oder soll man besser abreissen und neu bauen?

Um das Grundstück optimal zu nutzen, ersetzt ein modernes Doppeleinfamilienhaus ein altes Einfamilienhaus. Projekt und Visualisierung: Starhaus AG
Um das Grundstück optimal zu nutzen, ersetzt ein modernes Doppeleinfamilienhaus ein altes Einfamilienhaus. Projekt und Visualisierung: Starhaus AG

Um das Grundstück optimal zu nutzen, ersetzt ein modernes Doppeleinfamilienhaus ein altes Einfamilienhaus. Projekt und Visualisierung: Starhaus AG

Bauwillige landen heutzutage schnell auf dem Boden der Tatsachen: Der Grund und Boden, auf dem sie bauen könnten, ist knapp. Auch wer von einem Neubau geträumt hat, kauft daher oft ein älteres Haus, andere übernehmen ein Eigenheim aus der Familie. Am wichtigsten sind ohnehin die Lage und das Budget, denn dort gibt es in der Regel Grenzen, über die die meisten nicht hinausgehen können. Beim Haus hingegen kann man eher Kompromisse eingehen – und sich selbst an das Gebäude oder andernfalls den Bau an die eigenen Bedürfnisse anpassen.

Vielleicht passt das bestehende Haus ja auch zu den neuen Besitzern und sie müssen nur ein wenig renovieren, eine neue Küche einbauen oder energetisch sanieren. Komplizierter wird es, wenn das Haus stark sanierungsbedürftig oder die Raumaufteilung unbrauchbar ist – oder wenn das Grundstück so gross ist, dass Platz für weitere Wohneinheiten wäre. Dann kommt oft die Frage auf: Sollen wir umbauen – oder abreissen und neu bauen?

«Die meisten Bauherrschaften, die ein Haus gekauft oder geerbt haben, kommen mit einem Umbauwunsch zu uns.» Manfred Gubler CEO Bautec AG
«Die meisten Bauherrschaften, die ein Haus gekauft oder geerbt haben, kommen mit einem Umbauwunsch zu uns.»
Manfred Gubler
CEO Bautec AG

Die Optionen kennen
Mit dieser Frage werden Planerinnen und Planer immer wieder konfrontiert – und immer öfter, wie Manfred Gubler bestätigt. Er ist CEO der Totalunternehmung Bautec, die schlüsselfertige Neu- und Umbauten realisiert. «Das Bewusstsein für die verschiedenen Optionen nimmt zwar generell zu», stellt Manfred Gubler fest, «aber die meisten Bauherrschaften, die ein Haus gekauft oder geerbt haben, kommen mit einem Umbauwunsch zu uns.» Einen Ersatzneubau hätten sie oft gar nicht in Betracht gezogen. Oder Abbruch und Neubau kommen nicht infrage, weil der Hauskauf das Budget fast aufgebraucht hat, oder weil die neuen Eigentümer bereits im Haus wohnen und nicht temporär wieder ausziehen möchten. Ein geschichtsträchtiges Haus ist oft erhaltenswert, auch wenn es nicht unter Denkmalschutz steht. Auch emotionale Gründe können den Ausschlag geben, etwa wenn jemand das Elternhaus übernommen hat und es gerne bewahren möchte. In solchen Fällen sind ein Umbau und allenfalls eine Erweiterung die einzigen Optionen.

«Bodenbeläge, Fenster, Dämmung oder die Heizung kann man relativ einfach ersetzen oder verbessern», erläutert Manfred Gubler. Sind die Räume zu klein, lassen sich Innenwände oft problemlos entfernen. Viele Häuser kann man zudem aufstocken oder anbauen, um die Wohnfläche zu vergrössern. Sollen niedrige Räume höher werden, wird es schon schwieriger. Und wenn das bestehende Haus gar nicht zu den eigenen Bedürfnissen passt, wird ein Umbau mitunter sehr aufwändig und damit schnell so teuer wie ein Neubau. «Dann sollte man über einen Ersatzneubau nachdenken», rät Bautec-CEO Gubler, «denn der lässt sich einfacher gemäss den eigenen Vorstellungen planen.» Zudem sei der Bauablauf vorhersehbarer als bei einem Umbau, bei dem man durchaus Überraschungen erleben könne. Etwa, wenn man unerwartet marode Substanz entdeckt.

Das Grundstück optimal nutzen
Ein weiteres, sehr wichtiges Kriterium beim Abwägen zwischen Umbau und Ersatzneubau ist das Grundstück: Alte Häuser stehen oft auf sehr grossen Parzellen, die man dichter bebauen dürfte. Diese sogenannte Ausnützungsreserve optimal zu nutzen, ist nicht nur aus Gründen der Verdichtung interessant, sondern auch finanziell attraktiv. Denn den zusätzlich geschaffenen Wohnraum kann man verkaufen oder vermieten und so das eigene Traumhaus finanzieren.

Abhängig von der Grundstücksgrösse, dem Ausnützungspotenzial und der Lage des Bestandbaus gibt es verschiedene Optionen:

  • Manche Grundstücke kann man teilen und auf dem abgetrennten Teil ein weiteres Haus bauen.
  • Wenn es das Baurecht und die Bausubstanz erlauben, kann man das bestehende Haus zum Doppel- oder Mehrfamilienhaus erweitern.
  • Man kann den Bestand abreissen und durch einen Ersatzneubau mit mehreren Wohnungen ersetzen.
«Wir realisieren vorwiegend Neubauten, dafür sind wir bekannt.» Beatrice Metzger CEO Starhaus AG
«Wir realisieren vorwiegend Neubauten, dafür sind wir bekannt.»
Beatrice Metzger
CEO Starhaus AG

Umfassende Analyse
Das Generalunternehmen Starhaus setzt oft die dritte Option um. «Wir realisieren vorwiegend Neubauten, dafür sind wir bekannt», begründet CEO Bea Metzger, warum Eigentümer eines bebauten Grundstücks meist schon mit dem Wunsch nach einem Ersatzneubau an ihr Unternehmen gelangen. Bea Metzger berichtet von einem Projekt im Raum Zürich, bei dem Starhaus ein altes Einfamilienhaus durch ein Doppeleinfamilienhaus ersetzt. Der Bauherr wird den einen Teil selbst bewohnen und den anderen vermieten. «Er hat sich trotz emotionaler Bindung entschieden, sein einstiges Elternhaus durch einen Neubau zu ersetzen, um das Grundstück optimal auszunützen», erzählt Bea Metzger. Schlussendlich muss jede Bauherrschaft selbst entscheiden, welche Kriterien ihr am wichtigsten sind. Auch wenn der Bauherrschaft bereits ein Ersatzneubau vorschwebt, prüft Starhaus alle Optionen. Zunächst schaut das Team das Grundstück und die Bestandsbauten an, um das Potenzial genau zu erkennen. Wenn sich die Parzelle auch bei Erhalt des bestehenden Hauses besser ausnützen lässt, wird der Bestandsbau analysiert: Wie gut und zukunftsfähig sind die Bausubstanz und das Raumangebot? Was müsste ersetzt werden? Welches Umbaupotenzial besteht? «Diese Fragen klären wir und ermitteln den Aufwand und die Kosten für einen möglichen Umbau», erläutert Bea Metzger.

Die bestmögliche Ausnützung des Grundstücks ist aus finanziellen Gründen das Ziel bei den meisten Projekten. Nicht immer führt der Weg dorthin über einen Ersatzneubau. Wenn etwa ein Haus näher an der Grundstücksgrenze steht als nach heutiger Bauordnung zulässig, darf es selbstverständlich dort bleiben und auch umgebaut werden. Reisst man den Altbau jedoch ab, muss man mit dem Neubau die aktuell gültigen Vorschriften einhalten und kann die Parzelle unter Umständen weniger gut nutzen. «Manchmal sprechen auch steuerliche Gründe für einen Umbau», erwähnt Bea Metzger noch.

Kreativ bei Finanzen und Baurecht

Die steuerlichen Vorteile eines Umbaus betont Beat Kämpfen, Gründungspartner des Architekturbüros Kämpfen Zinke + Partner. «Bei geschicktem Vorgehen kann man 30 bis 50 Prozent der Umbaukosten von den Steuern abziehen», erklärt der Architekt, «die Kosten und Abzüge verteilen wir über drei Jahre. Das ist in der Summe oft relevanter als sämtliche Fördergelder.» Auch Erbregelungen besprechen Kämpfen Zinke + Partner gleich zu Beginn mit neuen Bauherrschaften. Wenn eine Erbschaft aufgeteilt werden muss, kann dies das Projekt beeinflussen. «Ein nicht unwesentlicher Teil unserer Kreativität fliesst in die finanziellen und sozialen Aspekte eines Projektes», meint Architekt Beat Kämpfen.

«Bei geschicktem Vorgehen kann man 30 bis 50 Prozent der Umbaukosten von den Steuern abziehen.» Beat Kämpfen Architekturbüro Kämpfen Zinke + Partner AG
«Bei geschicktem Vorgehen kann man 30 bis 50 Prozent der Umbaukosten von den Steuern abziehen.»
Beat Kämpfen
Architekturbüro Kämpfen Zinke + Partner AG

Im Vordergrund steht auch bei den Projekten von Kämpfen Zinke + Partner meistens die bestmögliche Ausnützung des Grundstücks, denn die Reserven bestimmen den Landpreis. «Mit viel Kreativität auch in baurechtlichen Fragen können wir mit einem Umbau oft die gleiche Ausnützung erreichen wie mit einem Neubau – und manchmal sogar mehr», erläutert der Architekt und verweist auf die bereits erwähnte Bestandsgarantie, wenn ein Altbau beispielsweise höher ist als heute erlaubt.


Eine gute Energieeffizienz ist für Beat Kämpfen heute bei jedem Bau Voraussetzung. Auch in punkto Komfort und Qualität seien umfassende Umbauten einem Neubau ebenbürtig. «Aber die Grundrisse sind vielleicht nicht so wie heute üblich», sagt der Architekt. Die Wohnqualität kann trotzdem sehr hoch sein. Erstberatungen zu möglichen Umbauten sollten daher nicht nur auf energetische, technische und finanzielle Aspekte fokussieren, sondern auch räumliche Qualitäten und Potenziale thematisieren.

Fragen und Prioritäten
Bauherrschaften sollten die Frage «Umbau oder Neubau» offen für alle Optionen angehen, rät Bautec-CEO Manfred Gubler zum Abschluss. Um fundiert entscheiden zu können, muss man sich viele Fragen stellen – und wie der von Starhaus-CEO Beatrice Metzger erwähnte Bauherr Prioritäten bei den Entscheidungskriterien setzen. Dabei kann eine Checkliste helfen. Und natürlich eine professionelle Beratung, denn die Frage, ob man ein Haus umbauen oder abreissen und ersetzen soll, ist wahrlich nicht leicht zu beantworten.

Umbau und Erweiterung eines Wohnhauses. Umbau und Bilder: Bautec AG
Umbau und Erweiterung eines Wohnhauses. Umbau und Bilder: Bautec AG

Umbau und Erweiterung eines Wohnhauses. Umbau und Bilder: Bautec AG

Checkliste «Umbau oder Ersatzneubau»
Die wichtigsten Fragen und Entscheidungskriterien

  • Bausubstanz Wie ist der Zustand? Wie aufwändig wäre eine Sanierung oder Renovation? Welches Potenzial besteht für einen Umbau und/oder eine Erweiterung? Welche Qualitäten bietet das bestehende Haus? Was gefällt mir daran?
  • Ansprüche ans Haus Welche Bedürfnisse haben wir aktuell, mittel- und langfristig? Was ist wirklich wichtig? Wo könnten wir Kompromisse eingehen? Passt uns die Raumstruktur, oder müssten wir sie anpassen? In welchem Ausmass? Brauchen wir mehr Platz? Wo? Welche Massnahmen wären beim Innenausbau nötig?
  • Ausnützung Parzelle Welches Potenzial besteht? Was bedeutet das finanziell? Können wir uns ein Mehrfamilienhaus vorstellen? Möchten wir einen Teil des Grundstücks und einen Hausteil verkaufen oder vermieten?
  • Finanzen Wie hoch sind die Kosten für Land und (Um)Bau? Welche Betriebs- und Unterhaltskosten werden laufend und langfristig anfallen? Wie ist die Familien- und Erbsituation? Welche Steuerabzüge sind möglich? Gibt es Fördergelder? Wie kann eine dichtere Bebauung bei der Finanzierung helfen?
  • Energieeffizienz Möchten wir die Mindestanforderungen erfüllen oder darüber hinausgehen? Was lohnt sich längerfristig am meisten (ökologisch und finanziell)? Was kann bei einer Sanierung mit welchem Aufwand erreicht werden?
  • Graue Energie und Ökobilanz Für welche Option spricht die Ökobilanz über die gesamte Lebensdauer des Hauses? (Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen von Rohstoffabbau, Produktion und Transport über Bau und Betrieb bis zur Entsorgung aller Bauteile und -materialien)
  • Ortsbild und baukulturelles Erbe Auch wenn ein Haus nicht unter Denkmalschutz steht: Hat es bauliche oder architektonische Besonderheiten? Wie ist seine Geschichte? Wie ist die Umgebung bebaut? Wie würde sich das Ortsbild durch einen Umbau/Anbau/Neubau verändern?
  • Emotionen Hänge ich am bestehenden Haus? Warum? Welche Forderungen und Wünsche kommen allenfalls aus dem Umfeld/der Familie? Was ist mir selbst wichtig?

Text: Katharina Köppen, Faktor Journalisten
aus:
Das Einfamilienhaus, Nr. 3/2022

Artikel teilen

Datenschutzhinweis

Diese Webseite nutzt externe Komponenten, welche dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln.

Notwendige Cookies werden immer geladen